Radeln in extremen Höhen

Gebirgs- und Hochlandradeln bedeuten Herausforderung und Faszination. Es gibt eine Menge Gründe, mit dem Fahrrad in die Berge zu fahren. Tolle Auffahrten mit anschließenden grandiosen Ausblicken, das schöne Gefühl den Berg mit eigener Kraft bezwungen zu haben, verschiedene, schnell abwechselnde Landschaften, die Neugierde auf das was hinter der nächsten Kurve kommt, die Einsamkeit und Abgelegenheit vieler Bergregionen...
Allerdings sind auch die Anforderungen an Radler und Material eine besondere. Steile Anstiege, gefährliche Abfahrten, schlechte Strassen oder Pisten, unberechenbares Wetter, Kälte und Trockenheit, extreme Temperaturunterschiede bei Tag und Nacht, schlechte Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmittel und insbesondere die dünne Luft sind nicht zu unterschätzende Gefahren. Folgende Hinweise und Tipps entspringen hauptsächlich aus meinen Erfahrungen von 7 Monate Fahrradfahren im Himalaya und wurden mit Angaben aus der Literatur ergänzt. Mit zunehmender Höhe sind vor allem folgende Faktoren zu berücksichtigen:

    · dünne Luft
· Sonneneinstrahlung
· Trockenheit
· Kälte


Dünne Luft

Auch wenn Symptome der Höhenkrankheit schon ab 2000 Höhenmeter auftreten können, so hat ein normal trainierter Mensch bis ca. 3500 Meter keine Probleme zu erwarten. Ab dieser Höhe sollte man sich Zeit lassen, insbesondere wenn ein bestimmtes Niveau für längere Zeit gehalten wird. So ist es in weiten Teilen Tibets nicht möglich, unter 4500 Meter zu gelangen. Ein Auftreten der Höhenkrankheit kann dann lebensgefährlich werden. Frühere Erfahrungen mit großen Höhen, gute körperliche Fitness schützen nicht vor der Höhenkrankheit. Eine gewissenhafte Akklimatisation ist jedes Mal aufs neue unumgänglich. Erste Symptome der Höhenkrankheit sind:

    · starke Kopfschmerzen
· Atemnot, Atembeschwerden
· Schlafstörungen
· schneller Pulsschlag
· Müdigkeit
· Übelkeit

Bei Auftreten dieser Anzeichen nicht weiter hinauf radeln. Oft ist es eine große Erleichterung, bei großen Beschwerden nur 100-200 Meter an Höhe zu verlieren. Vorbeugende Maßnahmen:

    · zu Hause zumindest eine Grundfitness aufbauen. Je leichter das Radeln fällt, desto mehr Reserven hat man für die Höhenanpassung
· schon bei der Routenplanung versuchen, eine mehrtägige "Einfahrphase" auf bestimmer Höhe (z.B. 3000 Meter) einzubauen. Oft ist eine langsame, stufenweise Auffahrt in die Berge topographisch bedingt nur schwer möglich
· behutsamer, langsamer Aufstieg, genügend Pausen einbauen, keine Gewalttouren am Anfang. Eine Faustregel ist, die Nacht nicht höher als 500 Meter vom letzten Quartier zu verbringen
· auf jeden Fall mit eigener Kraft Höhe gewinnen und sich nicht hinauftransportieren lassen
· die Nacht nicht am höchsten Punkt des Tages verbringen
· viel Trinken (keinen Alkohol!). Faustregel: 1 Liter pro tausend Höhenmeter pro Tag mehr trinken - auch wenn man keinen Durst verspürt
· keine vorsorglichen Schmerz- oder Schlaftabletten einnehmen. Die überdecken möglicherweise ernstzunehmende Symptome
· ein Höhenmesser hilft bei der Umsetzung der Akklimatisation

Gegen Höhenkrankheiten gibt es keine Medikamente. Mittel wie Kokotee oder Diamox lindern die Symptome, aber bekämpfen nicht deren Ursache. Bei gewissenhafter Akklimatisation ist das Einnehmen solcher Medikamente nicht notwendig. Bei Lungenstörungen, schweren Atemproblemen, Bewegungsstörungen, Halluzinieren hat die Höhenkrankheit ein ernstes Stadium erreicht. Dagegen helfen ausschließlich Zufuhr von Sauerstoff und/oder rascher Abtransport in tiefere Lagen.


Sonneneinstrahlung / Trockenheit

Aufgrund der dünneren Atmosphäre nimmt die Belastung der UV-Strahlung mit der Höhe zu. Sonnenbrand und insbesondere ein Sonnenstich sind höchst unangenehme Folgen von zu hoher Sonneneinstrahlung. Es ist daher besonders wichtig, Kopf und Körper zu schützen:

    · Kopfbedeckung
· wenn möglich lange Kleidung
· Sonnencreme mit hohem Schutzfaktor (mind F30), besonders gefährdet sind Nase und Ohren
· besonders in Verbindung mit trockener Luft sind die Lippen besonders gefährdet. Ein wirksamer Lippenschutz ist besonders wichtig. Ich hatte große Probleme die eitrigen, aufgeplatzten Lippen in Tibet zu heilen. Essen und tw. Sprechen verursachten grosse Schmerzen.
· Gletscherbrille inkl. Nasenschutz
· Fettcreme für Haut (besonders Hände): aufgeplatzte oder rissige Haut heilt in großen Höhe nur sehr schlecht.


Kälte

Auf die niedrigeren Temperaturen und den mit unter riesigen Temperaturunterschieden (Tibet im Sommer: +30 /-15 Celsius) muss man natürlich vorbereitet sein. Wichtig sind daher:

    · Gesichtsmaske, Handschuhe
· warme Unterwäsche
· Überhose, Windjacke, warmes Gewand etc.
· warmen Schlafsacke und gut isolierende Unterlage



 Autor: Ulrich Sertl
Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von Ulrich Sertl für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Auf seiner Homepage pedalglobal.net findet ihr unter anderem weitere Informationen über Tibet.

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