Das Wetter hat sich geändert. Das Barometer zeigt heute 1023 Mb, gestern waren es noch 950 Mb. Der Wind hat sich gedreht und kommt jetzt aus dem Westen, aber hält sich in Grenzen. Der heutige Tag geht über Land, hauptsächlich den Guadalquivir entlang. Er wird mich den nächsten Tagen bis zur Atlantikküste begleiten. Ab Sevilla wird er schiffbar.
Vor 2000 Jahren machten die Römer schon davon Gebrauch. Sie holten das Silber aus den Asturischen Bergen, schifften es in Sevilla ein und transportierten es nach Rom. Deswegen heisst die Strecke "Ruta de la Plata" (Der Silberweg); Er erstreckt sich von Sevilla bis am Golf von Biscaya. Den gleichen Weg gingen die römischen Garnisonen, die in England stationiert waren. Letztes Jahr fuhr ich diesen Weg bis Astorga und verfolgte dann den Jakobsweg bis Santiago de Compostela.
Zurück zur Reise. Als ich am Morgen früh abfahren wollte, war der Vorderreifen verdächtig weich. Damit ich die Landstrasse erreichte, musste ich durch ein Industriequartier. Ich sah dort ein Restaurant, wo viele Handwerker ihr "Znüni" oder "Vesper" nahmen. Dort bekam ich ein gutes Frühstück. Als ich weiter fahren wollte, inspizierte ich noch einmal den Vorderreifen und stellte fest, dass etwas unternommen werden musste. Der Wirt gab mir ein Eimer mit Wasser. Vor der Tür machte ich mich an die Arbeit, es ging nicht lange, und ich war umgeben von Männern, die wissen wollten, von woher und wohin. Als ich ihnen von meiner Reise erzählte, übernahmen einige meine Arbeit, und im Nu war der Reifen geflickt und wieder fahrbereit.
Patio des Hostals wo ich übernachtete in Lora del Rio |
Orangen Plantage |
Bei km 29 setzte sich ein Insekt genau auf meinen Kilometerzähler. Für 3 km gefiel ihm die Gratisfahrt. Dann hat es sich wahrscheinlich gedacht: Na, wenn das nicht schneller geht, gebrauche ich meine Flügel und flog davon.
Die Landschaft des Guadalquivir sieht sehr fruchtbar aus. Olivenbäume wechseln ab mit Orangenplantagen, so viele dass man sich fragen muss, wer wohl alle diese Orangen essen soll. Bohnen, Getreide etc.: Ein richtiger Obst- und Gemüsegarten das ganze Tal. Nach 60 km machte ich Mittagpause in Palma del Rio. Als ich abfahren wollte, war der Vorderreifen wieder weich. Mein erster Gedanke, meine Kollegen von heute morgen haben ihre Arbeit wohl nicht so ernst genommen. Aber das war nicht so. Ein kleines Loch im gleichen Abstand vom Ventil wie das erste Loch, aber in entgegengesetzter Richtung. Hier hätte ich schalten sollen, aber erst ein Tag später beim dritten Mal habe ich den Uebeltäter gefunden: Auf der Innenseite des Mantels war ein Metallsplitter eingedrungen. Mit der Zange konnte ich ihn entfernen und hatte für den Rest meiner Reise kein Pech mehr am Fahrrad.
In Lora del Rio fand ich ein ganz schön gebautes Hostel. In der Mitte war ein grosser Patio, überdeckt mit einer Glaskuppel. Eine Veranda mit typischen andalusischen Bögen führte in die jeweilige Zimmer. Am Abend nehme ich immer noch "una copa de vino tinto" mit einem Aperotivo, mal mit Oliven sowie Knoblauchzehen, die in Oel eingelegt sind, oder gemischte Nüsschen, ein stück Käse oder eine Scheibe Wurst. Diesbezüglich haben die Spanier viel Fantasie. Des öfteren kommt der Rotwein aus dem Kühlschrank (sollte vorher sagen "no frio", wenn man es nicht gerne hat).