Karibu
Reisebericht Kanada/Alaska
bike route 

6400 km entlang der Westküste Kanadas hoch nach Alaska


Zusammenfassung
   

Verkehrte Welt. Die ersten zwei Monate der Reise stellten uns bei Kälte und Regen auf die Probe, während es später in Alaska angenehm warm wurde. Die Klimaverschiebung läßt grüßen. Die in Alaska erwarteten Mückenattacken blieben aus, dafür ließen wir mehrere Liter Blut Wegezoll in Canada zurück.

Landschaft
Wie leider fast überall auf der Welt, wird auch in Nordamerika vor kaum einem Baum Halt gemacht, wenn es um "Ressourcennutzung" und Profit geht. Trotzdem führte unser Weg fast ausschließlich durch die noch intakte Natur im Westen entlang. Vorbei an türkisfarbenen Seen, unendlichen Wäldern und riesigen Gletschern sahen wir ganze Landstriche, in denen außer der Straße noch keine Zivilisation vorgedrungen war. Vom Gipfel der Berge bis zum Horizont ein rundum freier Blick, ohne auch nur den kleinsten Hinweis auf die Existenz menschlicher Errungenschaften.

Tiere
Neben den Insekten und Bären, auf die gleich näher eingegangen wird, konnten wir während der Reise auch Karibous, Elche, Stachelschweine und Weißkopfadler beobachten.

Insekten / Mücken
Das miese Wetter an sich war zwar unangenehm, aber bewegte uns nicht darüber nachzudenken, die Tour möglicherweise vorzeitig abzubrechen. Doch es gab eine andere, viel schlimmere Plage. Sie begann langsam im Süden Canadas und wurde mit jedem Kilometer in Richtung Norden unerträglicher. Mücken erwarteten uns jeden Tag auf's neue am Zeltplatz, um am Abendessen teilzuhaben... Allerdings in der Form unseres Blutes. Wenn wir geschafft auf dem Campground ankamen und uns auf das Essen freuten, attakierten ganze Horden von Mückenschwärmen. Ein streßfreier Abend war so nicht möglich, denn aufgrund der Bären in Nordamerika kann nicht im moskitosicheren Zelt gegessen werden. Daher blieb uns in der Regel nichts anderes übrig, als nach der Ankunft schnell das Zelt aufzubauen, unter dem Summen und Saugen der Mücken zu Essen und danach sofort ins Zelt zu flüchten. Obwohl Mücken eigentlich schon beim Aufkommen eines leichten Windes verschwinden, machen wir zu allem Überfluß noch die unschöne Bekanntschaft mit einer Art, die auch während der Fahrt zusticht.
Das Spielchen machten wir mit bis Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon-Territorys. Dort nahmen wir uns in einem Motel vier Tage Auszeit, um zu Relaxen, in Ruhe massenweise Essen zu verspeisen und über einen vorzeitigen Abbruch der Radreise nachzudenken. Denn in Whitehorse gab es einen internationalen Flughafen, den letzten auf dem gesamten Weg nach Anchorage in Alaska. Uns schwebte ein Flug in den heißen und sonnigen Süden der USA vor. Nach vier Tagen, vielen Donuts, Muffins, Pizzas und einigen Bieren war unsere Entscheidung gefallen. Es sollte weitergehen bis nach Alaska.
Am ersten Tag nach dem Entschluß hielten wir es noch für einen einmaligen Zufall. Doch nach einigen weiteren Tagen konnten wir es kaum fassen, die Mückenplage hatte tatsächlich abrupt aufgehört. Von nun an war sogar das Essen im Freien ohne nennenswerte Attacken möglich. Es war wie ein Wunder.

Bären
Obwohl uns bewußt war, daß wir auf diesem Trip unvermeidlich auch Bären treffen werden, war das Überraschungsmoment bei der ersten Begegnung auf der Seite des Bären. Schon viel früher als erwartet, waren wir mitten in Bearcountry angelangt. Von nun an hieß es, mit Lebensmitteln besonders sorgfältig umzugehen und sich jeden Tag richtig zu verhalten. Während der Reise begegneten wir recht vielen Schwarzbären, aber auch so einigen Grizzlys.
Tiefergehende Informationen zu Bären findet ihr übrigens unter Unterwegs / Der Bär.

Wetter
Als wir in Seattle ankamen, regnete es. Die ersten Tage auf dem Fahrrad regnete es ununterbrochen weiter, aber noch glaubten wir an Besserung. Nach den ersten 1000 km durch British Columbia Richtung Norden ließ der Wetterumschwung immer noch auf sich warten. Selbst die Einheimischen waren überwiegend erstaunt, was das Wetter dieses Jahr so trieb. Erste ernsthafte Zweifel am Sinn dieser Tour kamen in uns auf. Sollte dieses naßkalte Wetter etwa für den Rest der gesamten Tour anhalten? Schließlich waren wir ja erst am Anfang und zudem noch weit entfernt von Alaska, wo zur selben Zeit riesige Landflächen in Flammen standen, da es dort viel zu heiß war...
Trotz einiger weniger schöner Tage gaben wir irgendwann die Hoffnung auf besseres Wetter auf. So war die Kleidung weiterhin jeden Morgen durch die hohe Luftfeuchtigkeit schön klamm und wurde erst nach einigen Kilometern Fahrt auf dem bike erträglich. Gelegentlich waren ganztägige Fahrten im Regen angesagt, an denen sich die gute Regenbekleidung bezahlt machte. Auch erwiesen sich die dicken Handschuhe als besonders wichtig, denn die Temperatur bewegte sich des öfteren um die 5°C, was bei Regen schon die Finger abfrieren kann.
Zeitgleich mit dem plötzlichen Ausbleiben der Mückenattacken nahmen die schönen und sonnigen Tage zu. Je näher wir gen Norden kammen, desto mehr verbesserte sich das Wetter, und in Alaska erlebten wir die unbeschreiblichsten Tage der gesamten Tour bei strahlend blauem Himmel und angenehm warmen Temperaturen.

Zelten
Sofern es sich nicht um Privatland handelt, ist das Zelten überall erlaubt. Es gibt zum einen staatliche Campgrounds, die oft weitläufig und sehr schön mitten im Wald liegen. Zum anderen private Campgrounds, wo alles etwas gedrängter angelegt ist, aber der Komfort der Einrichtungen höher sein kann. Und zu guter Letzt bleibt noch das wilde Zelten, was entsprechend ausgerüstet auch viel Spaß machen kann.

Straßenverhältnisse
Die Straßen in Nordamerika sind ohne Einschränkung für das Reisen mit dem Fahrrad geeignet. Da sich der Verkehr etwas außerhalb der großen Städte schnell verläuft, bleibt dem Reiseradler viel Platz und oft auch die Möglichkeit nebeneinander zu fahren. Südlich der kanadischen Grenze nimmt so mancher Autofahrer kaum Rücksicht auf einen biker, was sich aber ändert je weiter nördlich man kommt.
Wenn zur asphaltierten noch eine Schotterstraße als Alternative existiert, so fällt unsere Wahl in der Regel auf letztere. Leider werden immer mehr dieser Gravelroads weiter ausgebaut, so daß die Vegetation einer breiten Schneise links und rechts von ihnen weichen muß und der Verkehr anschließend zunimmt. So gab es auf dem Cassiar Highway inzwischen schon viele geteerte Teilstücke, was den Zustand in einigen Jahren ahnen läßt. Auch der Alaska Highway ist seit Jahren vollständig geteert, von den Abschnitten mit Baustellen einmal abgesehen, und beidseitig so gerodet, daß locker ein Flugzeug auf ihm landen könnte. Der Denali Highway, die erste Straße, die den Denali Nationalpark 19XY zugänglich machte, ist noch nicht geteert. Obwohl seine Oberfläche größtenteils steinhart und somit gut zu fahren war, machten die unzähligen Schlaglöcher doch ganzschön zu schaffen.
Die McCarthy-Road gehörte ohne Zweifel zu den schlechtesten Wegen, die wir jemals gefahren sind. Eine ehemalige Eisenbahntrasse, die etwas mit Sand zugeschüttet wurde, um sie befahrbar zu machen. Die Tortur lohnte sich allemal, schon alleine wegen der kaum befahrenen Strecke und der traumhaften Landschaft.

Wandern
Zu unserer Ausrüstung gehören auf längeren Touren auch Wanderschuh und Rucksack, um manchmal ein paar Tage die von der Straße entlegenen Gegenden zu erkunden. So unternahmen wir besonders in auf dem Weg liegenden Nationalparks einige Tages- und Mehrtageswanderungen. Es lohnt sich auf jeden Fall, das Fahrrad auch mal stehenzulassen und ins Backcountry zu ziehen.


Fazit
    Eine super Reise, deren Eindrücke uns noch lange, vielleicht für immer in Erinnerung bleiben werden.

Trotz der schlechten zwei Monate am Beginn der Reise war unsere Entscheidung weiterzufahren eindeutig die Richtige. Hätten wir die Tour am absoluten Stimmungstief abgebrochen, wären uns die besten Erlebnisse im Norden Amerikas vorenthalten geblieben. So aber sahen wir die größten Gletscher außerhalb des Polarkreises, erlebten unvergessene Wanderungen im Land der Bären, übernachteten in der Wildnis, trafen viele andere bikefreaks und wurden ganz am Ende der Reise Augenzeugen von atemberaubenden Sonnenuntergängen am Mount Denali.
Bleibt nur zu hoffen, daß die letzten natürlichen Gebiete im Norden Amerikas auch weiterhin von der Zivilisation verschont bleiben. Besonders der Status eines "Nationalpark" sollte von allen Menschen, insbesondere Politikern, geachtet und weiter ausgeweitet werden.

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© 2000-2001 M.C. Hoeschen & R.J. Stephan
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